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Churer Modell

Churer Modell
Churer Modell

Reise durch Europa – im eigenen Klassenzimmer
Umstellung aufs Churermodell und erste Erfahrungen damit

Letztes Jahr im März war im Klassenzimmer der Unterstufe b in Dättlikon viel los: Gemeinsam wurde das ganze Schulzimmer umgestellt. Das Arbeitsmaterial jedes Kindes wurde aus den Fächern unter den Tischen hervorgenommen und in eine holzige Kiste verstaut, die Teil eines Kreises vor der Wandtafel ist.
Einen festen Sitzplatz gibt es ab jetzt nämlich nur noch im Kreis. Konkret heisst das für die Kinder, dass sie ab diesem Zeitpunkt ihren Arbeitsplatz jeden Morgen und für jede Aufgabe wieder neu selber auswählen dürfen. Es gibt Stehtische für Bewegungsfreudige, Gruppentische um zusammenzuarbeiten, Einzeltische für ruhige Einzelarbeit und handliche Bodentische, wo sich die Kinder auch einmal mit dem Rücken gegen die Heizung setzen oder den Gang als Arbeitsplatz aussuchen. Insgesamt 22 Arbeitsplätze für 13 Kinder.

«Ich gahn nach Bern! Ich wett hüt ade Sunne sitze.»
«Ou, chum mir schaffed zäme. Wämmer nach Lissabon?»
«Nei, ich wett nöd näbet diich sitze hüt. Mir chönd aber ide Pause wieder öppis zäme mache!»
«Miin Lieblingsplatz isch definitiv Rejkjavik. Ich chume vill schneller vorwärts, wenni chan stah.»

Sätze, die seither ganz normal sind, denn: Jeder Tisch und jede Tischgruppe hat eine europäische Hauptstadt als Namen. So ist es einfacher über die Vor- und Nachteile von den verschieden platzierten Tischen zu sprechen.
Die Kinder haben schnell erkannt, dass es Sinn macht, die Platzwahl von der eigenen Tagesform aber auch von der Aufgabenstellung abhängig zu machen. Wenn man alleine für sich arbeiten möchte, dann bietet sich der Gruppentisch «Rom» weniger an, als die Einzeltische. Wenn man sich sehr unruhig fühlt, fällt es einfacher an einem Stehtisch zu arbeiten. Als Klasse sind wir seit letztem März immer wieder im Gespräch darüber, was es braucht, damit man gut lernen kann und realisieren auch, dass nicht alle immer das Gleiche benötigen.
Die Eigenverantwortung und die Reflexion über das eigene Lernen und Arbeiten wird gefördert. Das war meine Hauptmotivation, dieses atypische System umzusetzen.

Zentrum des Unterrichts soll die Materie sein und nicht ich als Lehrperson. Wir arbeiten oft am gleichen – aber auf verschiedenen Niveaus. Klar, wir sind eine altersdurchmischte Klasse, das war schon vorher so. Doch nun kommen wir öfters wieder im Kreis zusammen und tauschen uns darüber aus. Der Kreis ist das neue Zentrum des Klassenzimmers. Hier finden Inputs statt, hier tauschen wir Strategien und neue Erkenntnisse aus und profitieren so voneinander. Der Übergang zwischen den Stufen ist flüssiger und die Kinder wählen die Schwierigkeit ihrer Aufgabe vermehrt selber aus. Ich sehe mich als Coach, als Lernberaterin und als diejenige, die alles koordiniert und die individuellen Fortschritte der Kinder im Auge behält.
Nach knapp einem halben Jahr würde ich nie wieder zurück ins alte System. Ich finde es beeindruckend, wie differenziert sich die Kinder schon über ihre Arbeitshaltung ausdrücken können und die Gespräche, die darüber entstehen sind total natürlich und nicht forciert. Ich bin der Überzeugung, dass sie gerade durch die Verantwortungsübernahme, die die grosse Mehrheit der Klasse mit grossem Enthusiasmus angenommen hat, extrem viel lernen fürs Leben.

Auch bei den Kindern kommt das System gut an:

«Am besten gefällt mir, dass wir jetzt eine Leseecke haben.»
-Joris

«Ich finde es toll, dass wir Trennwände haben. So kann ich mich besser konzentrieren, wenn mein Sitznachbar zu hibbelig wird.»
-Philip

«Mir gefällt, dass wir den Platz wählen dürfen. Dann muss ich nicht immer am gleichen Ort sitzen.»
-Samuela

«Am liebsten sitze ich in Bern, weil ich dort nicht gestört werde.»
-Malou